Serienanlauf in Gefahr – ein Beispiel aus der automobilen Praxis
mit vielen Parallelen zu anderen Industriebereichen
Das Telefon klingelt. Am anderen Ende ein Automobil-Kunde. Die Tonlage machte klar, es geht nicht um nettes Fachsimpeln – es brennt.
Es läuft die alles entscheidende EMV-Fahrzeugmessung zur Freigabe der Serienproduktion.
Der Serienanlauf ist in akuter Gefahr.
Während Störfestigkeitsmessungen fallen die Bremsen aus. Die Serienproduktion ist gefährdet.
Erste Ursachenanalyse: entfernt man ein Steuergerät außerhalb des Bremsenverbunds, tritt der Fehler nicht auf.
Was liegt da näher, als anzunehmen, dass dieses Steuergerät die Ursache ist?
Jetzt noch das Steuergerät überarbeiten oder gar neu entwickeln? Der Alptraum nimmt Fahrt auf …
Schneller Einsatz war gefordert, der Ursache auf die Spur zu kommen. Jeder Tag zählte, das war klar.
Mit dem Entwicklungsteam gingen wir das Problem zweigleisig an:
In ständigem Austausch fanden einerseits Versuche mit anschließender Ergebnisinterpretation und andererseits Verifikationsmessungen der (neuen) Hypothesen statt.
Ein Team arbeitete am Fahrzeug, das andere auf Komponentenebene.
Die Messungen dauerten 3 Tage.
Keine der einzelnen Untersuchungen und Ergebnisse konnte das Problem erklären.
Ich schlief nicht viel. Es ratterte im Kopf. Wie waren die Dinge zusammenzubringen?
Wo war der entscheidende Punkt? Morgens um 3 – werde ich nie vergessen – machte es klick.
Die Ursache konnte nicht in einem einzelnen Steuergerät liegen – die Gesamtheit der vielen Steuergeräte musste die Antwort sein.
Und ganz konkret musste das Problem im Massesystem liegen.
Alles ergab nur einen Sinn, wenn eine Masseleitung eines beteiligten Steuergerätes, Sensors oder Aktors im Bremsenverbund eine überproportional lange Masseleitung hat.
Und tatsächlich: es stellte sich heraus, dass eine etwa 6 m (!) lange Masseleitung das Problem verursachte.
Leitungen sind bzgl. EMV keine Kurzschlüsse.
Auf der langen Masseleitung des Bremssystems schaukelten sich die Störungen auf, sie kam in Resonanz.
Die Komponenten im Bremsenverbund konnten nicht mehr miteinander kommunizieren.
Die Informationen auf dem BUS wurden von den Störungen einfach überdeckt.
Es ist, als ob man sich mit jemandem unterhalten will und plötzlich steht ein Dritter mit einem voll aufgedrehten Ghetto-Blaster neben einem.
Der Inhalt der Information ist ok. Aber man hört sein Gegenüber nicht mehr.
Die Bremse war taub.
Das Steuergerät, das zunächst als Ursache vermutet wurde, tat genau das, was es tun sollte:
Es leitete die Störung gegen Masse ab.
Ein sicherheitsrelevantes System wie eine Bremse muss in einem solchen Fall in den Notbetrieb gehen, darf aber nicht ausfallen.
Es lag also ein doppelter Fehler vor.
Mit der geklärten Ursache erscheint die Korrektur fast trivial:
Das betroffene Gerät wurde mit einer kürzeren Masseleitung mit der Karosserie verbunden.
Der Serienanlauf war gerettet.
Aber warum trat der Fehler erst bei einer vergleichsweise hohen Frequenz (~ 80 MHz) auf?
Eine 6 m lange Leitung kann schon bei ca. 6 MHz (bzw. 12,5 MHz je nach Randparametern) zum ersten Mal in Resonanz gehen.
Und dann wieder bei jedem Vielfachen davon.
Die Antwort liegt darin verborgen, dass die Störung woanders eingekoppelt wurde – nämlich in die Batterieleitung.
Damit der Effekt auftreten konnte, mussten beide Leitungen in Resonanz gehen.
Die Batterieleitung, um die Energie aufnehmen zu können (Antenne) und die Masseleitung zum Steuergerät, auf der sich die Störung aufschaukelte und das BUS-Signal „überfuhr“.
Das beschriebene Beispiel ist typisch für die Herausforderungen in der EMV:
Die Wechselwirkungen der eingesetzten Komponenten im System und mit ihrer Umgebung sind komplex.
Die auftretenden Phänomene sind anders, als es die Summe der Einzelbetrachtungen erwarten lässt.
Dabei sind die Lösungen für EMV-Probleme oft vergleichsweise einfach – wenn man nur die Ursachen richtig versteht.
Es macht mir Spaß, meine mehr als 25-jährige Erfahrung in die Lösung solcher Probleme einzubringen.
Vor allem, wenn es dadurch gar nicht erst zu solchen Albtraum-Situationen kommt, die eine Produkteinführung gefährden oder verhindern.
Kontaktieren Sie mich, wenn Sie bei der Lösung Ihrer EMV-Probleme nicht weiterkommen.
Ich finde auch für Sie und mit Ihnen einen Weg aus Ihrer spezifischen Situation.
Eine 6 m lange Masseleitung ist für ein Auto schon sehr ungewöhnlich.
Nicht so im Maschinenbau. Hier sind solche Leitungslängen eher normal.
Und je länger die Leitungen werden, desto weniger Störenergie wird einerseits benötigt und desto tiefer liegen die Frequenzen, bei denen es bereits zu Problemen kommen kann.
Je länger die Leitungen werden, desto mehr Frequenzen kommen in Resonanz, d.h. desto häufiger tritt der Fehler auf.
Im Maschinenbau werden in solchen Fällen gerne Ferritringe über die Leitungen geclipst.
Hätte man das bei der Batterieleitung gemacht, wäre der Fehler vielleicht verschwunden.
Aber beim nächsten Projekt (die Längen sind etwas anders, die Verdrahtung vielleicht auch) zeigt der Ferrit keine Wirkung.
In diesem Moment sind die Fragezeichen groß.
Warum funktioniert in Projekt B nicht, was in Projekt A den Test bestanden hat?
Dies sind typische Szenarien, die dazu führen, dass EMV als Voodoo und unverständlich bezeichnet wird.
Dabei liegt es ganz trivial daran, dass die Fehlerursache nicht beseitigt wurde, nur Ihre Auswirkung bedämpft.
Letzteres funktioniert immer nur in exakt dieser einen Konstellation.
Kleinste Änderungen im Folgeprojekt genügen und die vermeintliche Lösung ist wirkungslos.
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Martina Kreutz ist Dipl.-Ing. (FH) der Elektrotechnik, Gründerin der KREUTZ EMV GmbH, zertifizierte Projektleiterin (GPM) und Sprecherin auf verschiedenen Fachkonferenzen.
Seit 1996 brennt sie für die EMV. In über 100 Projekten hat sie die EMV ins Ziel gebracht.
Als Consultant löst sie heute die EMV-Probleme ihrer Kunden und zeigt ihnen, wie sie diese in Zukunft vermeiden können.
Neben der Lösung ist ihr wichtig, auch die Ursachen aufzuzeigen. Nur wer die Ursachen und Zusammenhänge kennt, kann EMV-Probleme in Zukunft vermeiden.
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