Was ist EMV?
Wie entstehen elektromagnetische Störungen?
Was ist EMV?
Gerne wird EMV auf die Schaltung reduziert. Man macht sich Gedanken über Filterauslegung (häufig erst nach nicht bestandenen Tests). Man versucht den EMV-Störungen etwas entgegenzustellen das die Auswirkungen reduzieren soll.
Der Ansatz EMV-Störungen von Beginn an zu vermeiden wird seltener verfolgt, obwohl er sehr viel wirksamer ist. Und kostengünstiger!
EMV ist viel mehr als Schaltungsdesign und Normen.
Sehr oft wird jedoch übersehen, dass EMV ein System-Thema ist. Ein guter EMV’ler ist ein Techniker oder Ingenieur mit fundierten Hochfrequenz-Kenntnissen, der immer das Gesamtsystem im Blick hat.
EMV ist komplex – keine Frage. Aber EMV ist nur Physik. Die Komplexität ergibt sich zuallererst aus der Tatsache, dass alle Fraktionen bei einer Produktentstehung Ihren Anteil an der EMV haben. Das reicht bis zu Fertigung und Vertrieb.
EMV liegt NICHT nur in der Verantwortung der Schaltungsentwicklung! EMV ist Teamarbeit. EMV ist eine Schnittmenge aus System-Engineering und Hochfrequenztechnik. EMV lässt sich mit geeigneten Prozessen sehr gut steuern.
Für die EMV braucht’s weder Feldtheorie noch Maxwell’sche Gleichungen.
Ein Mix aus grundlegenden Überlegungen und richtigen Abläufen ebnet einen Weg, der meist für das erfolgreiche Bestehen von EMV-Tests ausreicht.
Entwickler sind meist keine Hochfrequenztechniker. Die wenigsten Produkte, die emv-relevanten Anforderungen unterliegen, beinhalten bzgl. ihrer Funktionen Hochfrequenz-Anwendungen. Bei der Schaltungsentwicklung bewegt man sich mehrheitlich auf Spannungsebenen.
EMV bedeutet zwangsweise sich mit hochfrequenten Strömen zu beschäftigen. Es bedeutet HF-Ströme zu beeinflussen, über Felder und Wellen nachzudenken. Man muss sich nicht in Feldtheorie verlieren – es sei denn man will bis ins Detail voraussagen, was passieren wird. Für eine klassische Produktentwicklung ist letzteres jedoch nicht notwendig.
Stromlaufpläne werden eher spannungsorientiert gezeichnet. Der Stromfluss (insbesondere der Rückpfad) ist nicht sofort zu erkennen, geschweige denn parasitäre Strompfade.
So überrascht es nicht, dass viele Software- oder Mechanik-Entwickler von der falschen Annahme ausgehen ihre Arbeit hätte nichts mit EMV zu tun.
Selbst im höheren Management wird oft eine Annahme als scheinbarer Fakt akzeptiert. EMV könne man erst nachhaltig entwickeln, wenn Probleme konkret sichtbar werden. In der Folge werden die Entwickler mit dem Thema allein gelassen.
Man wird erst aktiv, wenn das Kind im Brunnen liegt. Leider bleibt es dann oft dabei zusätzlichen Druck aufzubauen. Die eigentliche Aufgabe des Managements mit strategischen Maßnahmen Hilfe zu leisten, sieht man leider selten. Dabei wäre es – spätestens fürs nächste Projekt immer möglich. Mehr dazu im Beitrag wann beginnen?
Der erste notwendige Schritt zum EMV-Erfolg, ist die Einsicht, dass EMV ein System-Thema ist und früher oder später alle Fraktionen einbezogen werden müssen – insbesondere die Führungsebenen.
Um dies zu verstehen, muss man einige wenige Prinzipien verstanden haben.
Wichtig ist eine strukturierte Vorgehensweise – wie bei nahezu allen Entwicklungsdisziplinen.
Wir bewegen uns hier im Bereich elektromagnetischer Wellen. Deshalb ist es sinnvoll die Sache zunächst von Seite der gewollten Nutzung elektromagnetischer Wellen (Funk-Wellen) anzugehen.
Hier ist meist die Funkübertragung gemeint. Allgemein eine Informationsübertragung von A nach B. Es benötigt hierzu einen Sender und einen Empfänger, sowie eine Übertragungsstrecke bzw. ein Übertragungsmedium (meist die Luft oder ein Kabel, oder beides).
Wenn wir nun die Sichtweise von der gewollten Informationsübertragung auf die ungewollte übertragen, landen wir bei der EMV. Die grafische Darstellung ändert sich wie folgt.
Ergänzen wir nun die Beschreibung des zu betrachtenden Systems um die Einflüsse von und auf die Umgebung, so gelangen wir zum klassischen Störmodell wie es sich auch vielerorts in anderen Veröffentlichungen findet.
D.h. auf der linken Seite beeinflusst unser System die Umgebung (Emission), bzw. wird seinerseits auf der rechten Seite von der Umgebung beeinflusst (Störfestigkeit).
EMV-Störungen gehen immer auf schnelle Verschiebungen von Ladungsträgern zurück. Dies kann auf der einen Seite durch die Entladung eines Blitzes geschehen. Im technischen Umfeld spricht man dann von einer ESD-Störung.
Auf der anderen Seite entstehen sie beim Schalten von Spannungen und/oder Strömen. Wenn ein Schaltvorgang zeitlich nicht einer Sinuskurve folgt, entsteht ein Frequenzspektrum, das sich aus einer Fourier-Reihe ergibt.
Ein Rechtecksignal wie es beim „harten Schalten“ entsteht, hat theoretisch ein unendliches Frequenzspektrum. Dabei hat jeder Frequenzanteil einen bestimmten, mit steigender Frequenz abnehmenden Energieinhalt.
1) Die Summe der Energien in einem Frequenzspektrum muss von einer (real meist mehreren) Quelle(n) zur Verfügung gestellt werden.
2) Jeder Strom(anteil) fließt zu seiner Quelle zurück.
3) Alle Übertragungswege sind impedanzbehaftet, d.h. es gibt keine verlustfreien Pfade. (Impedanz = frequenzabhängiger Widerstand)
Aus 1) folgt, dass die Flanken eines Rechtecksignals angekippt (abgeflacht) werden, wenn die Quellen nicht alle Frequenzanteile schnell genug zur Verfügung stellen können. Es kommt zum kurzfristigen Einbrechen der Quellenspannung bei den entsprechenden Frequenzen. Diese Spannungseinbrüche messen wir als EMV-Störungen.
Aus 2) folgt, dass eine Störung nicht aufgehalten werden kann. Jeder Strom sucht sich seinen Weg zurück zur Quelle. Wird an einer Stelle die Impedanz erhöht, nimmt er u.U. einen anderen, niederimpedanteren Weg. Beides können auch parasitäre Pfade sein, die meist nicht leicht zu erkennen sind.
Aus 3) folgt, dass es auf dem „Stromumlauf“ zu Verlusten kommt, die zusätzlich von den Quellen ausgeglichen werden müssen. Dies ergibt eine sich negativ auswirkende Rückkopplung mit 1).
Es geht also bei der EMV-Entstörung darum der Störung auch für die hochfrequenten Anteile eine entsprechend schnelle Quelle zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig dem Strom einen Weg zurück zur Quelle zu eröffnen, auf dem er keinen Schaden anrichtet.
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