Warum EMV-Prüfungen scheitern
Die 6 häufigsten Fehler
Etwa 70 % aller Erstprüfungen eines neuen Produkts im EMV-Labor scheitern. Viele davon sind vermeidbar.
Jede Schaltung, jedes Produkt ist anders. Dennoch gibt es Dinge, die Prüfungen immer wieder scheitern lassen. Sparen Sie sich diese. Es gibt mit den individuellen Dingen genug zu tun.
Immer wieder wird viel zu spät im Entwicklungsprozess begonnen, sich Gedanken über die elektromagnetische Verträglichkeit zu machen. Die Folge ist, dass die meisten EMV-Erstprüfungen nicht bestanden werden. 70 Prozent aller EMV-Prüfungen scheitern im ersten Anlauf. Dies ergab eine Umfrage unter akkreditierten EMV-Laboren.
Wenn die Entwicklung aber schon so weit fortgeschritten ist, sind ca. 80 % der möglichen EMV-Stellschrauben quasi in Beton gegossen. Die restlichen 20 % sollen es dann richten. Das funktioniert selten.
Die Folge: Rekursionen, die weit in den Entwicklungsprozess zurückreichen und regelmäßig sowohl den Zeitplan als auch das geplante Budget sprengen.
Die Lösung: Bereits in der Konzeptphase mit EMV beginnen. Mit iterativen Schritten, die nicht einmal viele Ressourcen binden, arbeitet man sich bis zum bestandenen EMV-Test vor.
Jedes Produkt, jedes Gerät, jede Anlage ist Teil eines größeren Systems. Auch wenn es keine direkten elektrischen Schnittstellen nach außen hat, steht es in EMV-technischer Wechselwirkung mit seiner Umgebung. Elektromagnetische Kopplungen benötigen keine Leitungen (induktive und kapazitive Kopplungen). Es gibt keine Produkte ohne übergeordnetes System.
Diese Schnittstellen müssen von Anfang an in die Überlegungen einbezogen werden. Für die EMV macht es einen großen Unterschied, ob sie niederohmig oder hochohmig sind. Es gibt viele verschiedene externe Parameter, die auf mein Produkt einwirken – positiv wie negativ.
Viele werden jetzt denken, woher soll ich das wissen? Es gibt viele Stellen, wo man sie finden kann. Wenn es ein Lastenheft gibt, dann ist das immer die erste Quelle, in der man fündig wird. Oft gibt die Funktion allein schon genügend Anhaltspunkte, was mich erwartet.
Weder die Beurteilung der Störfestigkeit noch der Störaussendung ist ohne Systembetrachtung vollständig möglich.
Der Blick über den Tellerrand ist von Anfang an Pflicht.
Ein gutes Versorgungssystem mit der Masse als zentralem Element ist die unabdingbare Grundlage für das Bestehen einer EMV-Prüfung.
Ein Großteil der EMV-kritischen Gleichtaktstörungen ist auf ein schlechtes Versorgungssystem zurückzuführen. Auf extern angeschlossenen Leitungen reichen meist schon 5 µA Gleichtaktstrom aus, um bei Emissionstests durchzufallen!
Das Versorgungssystem spielt praktisch überall hinein. Es ist daher auch die Basis für eine gute Signalintegrität, d.h. dass sich das Gerät nicht selbst stört.
Ströme fließen im Kreis, also zur Quelle zurück. Eigentlich eine Binsenweisheit für Elektrotechniker. Dennoch wird die Frage, wo die Ströme wieder zur Quelle zurückfließen, oft sträflich vernachlässigt.
Dadurch werden zum einen die Gleichtaktströme verstärkt. Zum anderen werden unnötig große Schleifen aufgebaut. Einkopplungen und/oder parasitäre Antennen sind die Folge.
Dies ist besonders gravierend, da dadurch alle EMV-Störmechanismen verstärkt werden.
Die Frage nach dem Rückleitungspfad ist jedoch nicht so einfach zu beantworten. In der Regel gibt es nicht nur einen Weg, denn dieser ist frequenzabhängig. Verschiedene Frequenzanteile nehmen verschiedene Wege. Ich muss mir also über die Impedanzverhältnisse meines Produktes im Klaren sein, um hier grundlegende Fehler zu vermeiden.
Dies gilt insbesondere für die Software, obwohl Softwaremaßnahmen – wenn sie richtig gemacht werden – nichts kosten. Stückkosten entstehen ohnehin nicht. Wenn der Softwareentwickler von Anfang an weiß, worauf es ankommt, entstehen seine Maßnahmen bei der Funktionsprogrammierung nebenbei, d.h. sie sind tatsächlich kostenlos. Das kann manche Hardware-Maßnahme überflüssig machen.
Die Mechanikentwicklung ist der Elektronikentwicklung wegen der längeren Vorlaufzeiten bei der Umsetzung in der Regel zeitlich voraus.
Erfolgt keine Abstimmung zwischen den Entwicklungsparteien, werden Fakten geschaffen, die selten (und wenn, dann nur mit hohen Kosten) rückgängig gemacht werden können. Ist sogar schon ein Werkzeug bestellt, ändert es später wegen der EMV meist niemand mehr. Das wäre der finanzielle Super-GAU.
Mit der Mechanik werden oft völlig unbemerkt parasitäre Antennen erzeugt. Oft der letzte Sargnagel für die EMV! Eng damit verbunden ist das Thema Schirmung. Die Schirmung ist ein klassisches Systemthema. Die Schirmung ist immer nur so gut, wie ihr schwächstes Glied. Eine kleine Nachlässigkeit bringt das ganze System aus dem Tritt.
Deshalb ist es unerlässlich, dass sich alle Entwicklungsfraktionen (inkl. Fertigung!) bereits in der Konzeptphase zusammensetzen. Bereits hier wird das gemeinsame EMV-Vorgehen definiert. Und sich später immer wieder über EMV austauschen (!), wie es bei anderen Themen ganz normal ist.
Hier lauern viele der oben genannten 80%-Fallen.
Wenn EMV-Messungen in den beauftragten EMV-Laboren scheitern, liegt das oft an der schlechten oder fehlenden Vorbereitung durch den Auftraggeber. Da wird dann gerne der Prüfling ins Labor geschickt, mit der Bitte, das gute Stück doch bitte nach der EMV-Norm xy zu prüfen.
Die meisten EMV-Labore haben wirklich gute Mitarbeiter. Aber: Hellsehen können die Kolleginnen und Kollegen nicht.
Es ist nicht definiert, was wie in welchen Betriebszuständen getestet werden muss. Das steht in keiner EMV-Norm! Zu den Prüflingen gibt es keine Gegenstecker, um eine Peripherie anzuschließen oder ein Signal zu überwachen. Die Stecker mögen für Sie Standard sein. Für ein EMV-Labor sind sie es in der Regel nicht.
Wann ist ein Signal oder ein Zustand noch in Ordnung und wann „failed“? Wie groß sind die Toleranzen? Toleranz Null muss zwangsläufig zu Fehlern führen.
All dies zu definieren, ist Aufgabe des Auftraggebers.
Weniger gute Labore fangen vielleicht trotzdem an und liefern einen Bericht mit dem Ergebnis „nicht bestanden“. Gute Labore werden Sie auf Mängel in der Vorbereitung und deren mögliche Folgen hinweisen. Aber die Zeit für die anschließende Abstimmung muss natürlich bezahlt werden.
Wenn das Produkt zum vereinbarten Zeitpunkt bereits in der Messkabine ist und erst dann festgestellt wird, dass etwas nicht passt, tickt die Uhr und im schlimmsten Fall fahren Sie ohne Ergebnis nach Hause.
Hier finden Sie eine Checkliste, die Ihnen hilft im Vorfeld nichts Wichtiges zu vergessen.
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EMV-Tests nicht bestanden?
Schluss mit ‚trial & error‘! Eine detaillierte Analyse ist entscheidend.
Nur wer die Ursache im Detail kennt, kann Maßnahmen definieren, die (auch im nächsten Projekt) funktionieren.
Reviews während der Umsetzungsphase sichern den Erfolg.
Autorin: Martina Kreutz
Martina Kreutz ist Dipl.-Ing. (FH) der Elektrotechnik, Gründerin der KREUTZ EMV GmbH, zertifizierte Projektleiterin (GPM) und Sprecherin auf verschiedenen Fachkonferenzen.
Seit 1996 brennt sie für die EMV. In über 100 Projekten hat sie die EMV ins Ziel gebracht.
Als Consultant löst sie heute die EMV-Probleme ihrer Kunden und zeigt ihnen, wie sie diese in Zukunft vermeiden können.
Neben der Lösung ist ihr wichtig, auch die Ursachen aufzuzeigen. Nur wer die Ursachen und Zusammenhänge kennt, kann EMV-Probleme in Zukunft vermeiden.
Ihr Ansatz: EMV ist Teamarbeit. Viele Beteiligte sind sich ihres Einflusses nicht bewusst.
Wenn man sie ins Boot holt und mit der EMV am Anfang des Projektes beginnt, werden die EMV-Tests meist auf Anhieb bestanden.
Hierfür hat sie einen eigenen Prozess entwickelt, der sich leicht in die Entwicklungsprozesse der Firmen integrieren lässt.